Freitag, 6. Juli 2012

Geländepraktikum in Obergurgl / Ötztal

Huiuiui. Anstrengede Woche ist das gewesen: nach Prüfungen, Umzug und der dazugehörigen Feierei gings für viele Bachelor Geographen im 4. Semester von 1. bis zum 6. Juli nach Obergurgl im Ötztal, wo die Uni ein Forschungszentrum hat. Warum nach Obergurgl? Das Ötztal hat eine relativ lange Forschungsgeschichte und es existieren dort auch noch einige Täler, die sich dem anthropogenen Einfluss weitestgehend entziehen konnten.
Einer der Schwerpunkte des Geländepraktikums lag zudem auf Gletschern und Permafrost und der Zustand vieler Gletscher im Ötztal wird schon verhältnismäßig lang dokumentiert.
Nun ja, auf jeden Fall mussten wir am Sonntag um 18:30 Uhr in Obergurgl sein. Den Tag haben wir natürlich genutzt und Tilo, Mättl, Walt und ich sind noch in Oberried klettern gegangen. Nach den Strapazen der Prüfungszeit lief es natürlich nicht mehr so gut, aber dafür kommt jetzt ja auch der Sommer.

Angekommen in Obergurgl: die Zimmer des Forschungszentrum sind erstaunlich luxuriös (Zweierzimmer mit eigenem Bad, ich hatte eher jugendherbergsähnliche Zusände erwartet). 

Erster Tag: auf dem Weg ins Rotmoostal. Leider war das Wetter eher bedenklich und nicht alle Leute unserer Gruppe fit und dementsprechend haben wir nicht so viel gemacht wie geplant.

Schon eindeutig glaziale Formen erkennbar: Moränenmaterial, allerdings waren sich unsere Profs uneinig, ob es sich nun um Grund- oder eine alte Seitenmoräne handelt. Für eine Grundmoräne sei das Material nicht kompakt genug, meinte der einer unserer Profs und stellte somit die Aussage seines Kollegen in Frage. Nun ja, auf jeden Fall irgendeine Moräne, von fluvialen Abtragungsprozessen überformt.

Blick auf den Rotmoosferner (unten) und den darüber liegenden Wasserfallferner ("Ferner" ist übrigens ein anderes Wort unserer österreichischen Freunde für Gletscher). Der Rotmoosferner ist ein sogenannter regenerierter Gletscher, der ehemals mit dem Wasserfallferner verbunden war, jetzt aber durch einen Felsabbruch von diesem getrennt liegt. Er wird durch Lawinen und Eisbruch von oben genährt. Allerdings stellt sich die Frage, ob man den Rotmoosferner immer noch so nennen kann, das es kaum mehr nennenswerte Eisbrüche gibt.
Als wir zu den Gletschern gekommen sind, waren wir erstaunt, wie stark diese zurück gegangen sind. In der Vorbereitung wurden uns ein paar Jahre alte Orthophotos von Rotmoos- und Längental gezeigt, auf welchen die Gletscher noch um einiges mächtiger aussahen.

Überqueren eines doch recht starken Schmelzwasserbaches mit Hilfe einer Schneebrücke.

Unser Prof erklärt uns die Dynamik von Gletschern neben der Gletscherzunge. Nicht, dass wir das alles nicht schon öfters lernen durften, aber es vor Ort zu hören ist schon ganz nett.

Geographen auf der Gletscherzunge: unten lag noch genug Schutt rum, dass es auch gut ohne Steigeisen ging.

Unser Prof erklärt uns die Entstehung dieses Schotterhügel mit (für glaziologische Prozesse untypisch) sortiertem Material. Das lässt auf fluviale Prozesse schließen.
Aber wie uns erklärt wurde, hat das Tiroler Fremdenverkehrsamt hier den Schotter aufgeschüttet, damit die Touristen nicht ausrutschen (Geographen-Witzle...
... man sieht ja wie wir alle lachen)

Nachdem wir auf der Gletscherzunge rumgeturnt sind, schauen wir uns Gletscherschliffe und Gestein an: sehr bunt da oben.
Auf jeden Fall zeigt uns unser Geomorphologieprof hier gerade Lösungsprozesse.

Geologe bin ich zwar keiner, aber hier haben wir metamorphes Gestein, das unter Druck und Hitze im Erdinneren deformiert wurde (lässt sich unter anderem an der welligen Struktur erkennen).

Hier kann man einfach nochmal gut die Lösungsprozesse sehen.

Am rumturnen.

Alex macht einen Handstand auf einem Block.

Beim rausgehen hat es uns dann erwischt: das bisschen Regen, dass wir bis jetzt erdulden mussten, war nicht weiter schlimm, allerdings war der Hagel, der dann kam nicht sehr nett: zeitweise kamen da Bonbon-großer Hagel runter (ist zwar nicht der genaueste Vergleich, aber was besseres fällt mir grad nicht ein)

Am zweiten Tag sah das ganze schon besser aus: unser Prof erklärt uns an einem praktischen Beispiel im Zirbenwald oberhalb Obergurgls die Dendrochronologie, also im Endeffekt eine Datierungsmethode, die sich hauptsächlich auf Baumringe bezieht und sich dabei auf die C14-Altersbestimmung stützt. Für die Dendrochronologie muss kein Baum sterben, sondern man entnimmt Bohrkerne (wie man im Bild sieht). Die Dendrochronologie ist auch sehr nützlich für die Klimageschichte: anhand der Baumringe lässt sich das Klima in vergangenen Jahren rekonstruieren. Aus diesem Zirbenwald gibt es eine Zeitreihe, die bis auf ca 9000 BP zurückreicht (bin mir bei der Zahl nicht mehr ganz sicher, aber sowas in der Größenordnung)

Endlich mal ein bisschen Permafrost: der Blockgletscher im äußerem Hochebenkar: einer der am meisten untersuchten Blockgletscher (viel weiß man über sie trotzdem noch nicht). Nur kurz: grundsätzlich haben Blockgletscher nichts mit "normalen" Eisgletschern nichts zu tun: Hier handelt es sich um ein Gemisch aus Schutt und Eis. Und zwar kein metamorphes Eis wie bei Eisgletschern, sondern sozusagen wachsendes Eis.
Blockgletscher sind komplexe und bisher noch nicht gut erforschte Gebilde.

Unser Morphologieprof erklärt und Messtechniken bei Blockgletschern: die roten Markierungen (im Bild zu sehen) bilden eine Linie, die tendenziell senkrecht zur Fließrichtung des Blockgletscher liegt. Der Abstand zwischen den einzelnen Punkten und einem fixen Punkt außerhalb des Blockgletscher wird öfters mit Hilfe eines Theodoliten gemessen, was Aufschluss über die Dynamik dieser kuriosen Erscheinungsform des Permafrostes gibt. Blockgletscher entstehen, wenn die Schneegrenze um einiges höher als die Permafrostgrenze liegt. Liegen die beiden Grenzen nahe beieinander, so bilden sich vorzugsweise Eisgletscher.

Runter vom Blockgletscher, um weitere Formen des Permafrostes zu untersuchen.

Unser schweizer Kollege hat sie angelockt.

Hier wird uns das Phänomen Solifluktion (Bodenfließen) anhand eines praktischen Beispieles erklärt. Die Solifluktion im Periglazial (Gelifluktion) spielt sich in der Auftauschicht (obere Schicht des Bodens, welche saisonal auftaut) ab.
auch die Schafe zeigen geographisches Interesse, so scheint's.

Hier sieht man, wie Längental (ganz links) und Gurglertal (nicht ganz so weit links) zusammenlaufen. Der Gurgler Ferner hat in der Vergangenheit des öfteren durch Vorstöße den Ausgang des Längentals blockiert, wodurch sich dahinter ein sogenannter Eissee bildete. Die Entleerung eines solchen Eissees kann große Überschwemmungen verursachen.
Die limnischen Sedimente des letzten Eissees lassen sich am Ende des Längental noch gut erknnen (da der Gletscherbach sich in diese eingeschnitten hat).
Die Talstufe, die man hier am Ende des Gurgler Tals erkennen kann, lässt sich auf den ehemaligen Zusammenfluss der beiden Gletscher zurückführen: auf einmal hat der Gletscher viel mehr Masse und eruiert den Untergrund dementsprechend mehr.

Tag 3: nun sind wir mit einem anderen Prof unterwegs, der uns das untere Ötztal geographisch näher bringen soll. Hier schauen wir uns gerade Schutzverbauungen gegen Muren an.

Auffangbecken für Muren. Auf ein wie starkes Ereignis diese Becken ausgerichtet sind, wird mit Wahrscheinlichkeiten bestimmt. Das soll heißen, dass diese Becken meist nicht auf Maximalereignisse ausgelegt sind, was zum Beispiel zu Problemen mit Versicherungen führen kann, wenn man ein Haus, das in einer solchen Gefahrenzone liegt, gegen Murabgänge versichern lassen will.

Martin hat sich über die letzten Tage einen gescheiten Sonnenbrand geholt. Damit dieser nicht noch schlimmer wird, war ich so freundlich, ihm meine Cap zu leihen. Steht im auf jeden Fall gut.

Uns wird die Geschichte der Landwirtschaft im Ötztal näher gebracht: hier schon wieder auf dem Rückweg, ein kurzer Stop bei Winterstall (Zu beachten ist der absolut stilvolle Stock unseres Profs!).

Mehr Photos gibts von der zweiten Hälfte unseres Geländepraktikums leider nicht.

Gruppenphoto nach der abschließenden Klausur: die ganze Bagage. Anstrengende Tage, jetzt muss ich erstmal schlafen (dazu sind wir logischerweise auch nicht allzu viel gekommen).



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