Sonntag, 14. August 2016

Versuch Chopicalqui (6354 m) - vom warten und es lassen können

Der Chopicalqui in der Abendsonne. Blick vom Moraine-Camp aus.



Glorreich wird diese Geschichte nicht, dafür aber ein bisschen länger.
Nachdem unsere beiden neuen finnischen Freunde zuvor am Chopicalqui, der an sich kein äußerst schwerer ist, dafür aber länger und schöner Gipfel, wegen schlechten Wetters und Krankheit gescheitert sind, haben Denni und ich beschlossen, sie bei ihrem zweiten Versuch zu begleiten. Solang man nicht klettern muss, sind Hochtouren in einer größeren Seilschaft, finde ich, einfach angenehmer.
Also starten wir los - der Plan ist folgender: Donnerstag in Huaraz los, sich vom Taxi abholen lassen, bis zum Moränencamp marschieren, am Freitag von dort auf den Gipfel (ganz schöner Hauer: sind immerhin ca. 1400 Höhenmeter von dort aus), wieder zurück zum Camp, noch eine Nacht schlafen und dann am Samstag wieder zurück. Jetzt ist es Sonntag und wir sind gerade erst zurückgekommen, allerdings heute nur zu dritt. Was ist passiert (Spoiler-Alert: kein großes Drama hat sich abgespielt, aber das Schicksal, oder der Berg, haben mal wieder gezeigt, was Ironie heißen kann).
Nun ja. Als wir also am Donnerstag los sind, war einer der Finnen schon wieder angeschlagen (im englischen nennt sich das "traveler's diarrhea".
Na gut. Er erholt sich in der Nacht, aber dafür wird sein Kollege, der das letzte mal schön krank war, wieder krank. Wir beschließen also, unseren Gipfeltag auf Samstag zu verlegen, ist ja kein Ding, haben zum Glück genug zu essen dabei. Leider ist das Wetter Samstag Nacht, sobald wir aufbrechen wollen, dann alles andere als erfreulich. 
Das Camp an der Moräne. Hier verbringen wir zwei Nächte.

Am eigentlichen Gipfeltag scouten Denni und ich den Weg vom Morainecamp zum Gletscher und versuchen von unten den Anfang des Weges durch den unübersichtlichen Bruch zu finden.

Dabei sehen wir eine Seilschaft zum Highcamp aufsteigen. Die sind allerdings schnell in dem Eisgewirr verschwunden, viel Aufschluss gibt uns das nicht



Als wir am Morgen aufwachen, ist strahlend blauer Himmel, schade für uns. Der kranke Kollege beschließt abzureisen, hinterlässt uns, was er noch an essen und Benzin für den Kocher hat, und außerdem seinen Seilpartner. Zu dritt beschließen wir, inklusive unserem kuscheligen zwei-Mann Zelt ins High Camp auf dem Gletscher (ca. auf 5300 m, also 400 m höher als das Morain Camp) umzuziehen, um von dort dann in der Nacht von Samstag auf Sonntag den Gipfel in Angriff zu nehmen. Als wir uns gerade ins Seil einbinden kommen uns drei Seilschaften entgegen, die ihrem Versuch Samstag morgen schon gewagt haben: auf 6050 m wegen Wind und Schnee umgedreht - ja klasse! Egal, man lässt sich nicht beeindrucken, ist ja ein schön wärmer Tag, Schnee kann sich solange setzten und Wind wird's bei uns nicht geben, der Berg ist uns sicher wohl gesinnt (Triebkraft hier bin wie meistens bei solchen Unterfangen allerdings nicht ich).
Wir Dackeln also die 400 Höhenmeter durch den zerklüfteten Gletscher bis zum High Camp: ein kuscheliges Örtchen mit riesen Aussicht, wobei der umliegende Gletscher hier den Granit aus den benachbarten Wänden magisch anzuziehen scheint: ständig kommt was runter. Meint Geographenherz schlägt höher, solch pathetisches Naturschauspiel aus nächster Nähe - und aus der Sicherheit des Camps miterleben zu dürfen.
Die letzten verbleibenden Stunden Tageslicht nutzen wir zum Schnee schmelzen und Nudeln kochen. Der Himmel verdunkelt sich allerdings schon vorzeitig und der Abend ist von Graupel - und noch mehr Graupel geprägt. Sorry Petrus, falsche Lieferadresse, hatten wir nicht bestellt. Er lässt ihn uns netterweise trotzdem da. Wir machen uns trotzdem eine kuschlige, frühe Nacht im Zelt, in der ich, als derjenige, der im Gräbele schlafen darf, nicht den meisten Schlaf finde. Zum Glück gibt's Smartphones und Hörbücher. Als wir dann um 01:30 Uhr am Morgen wieder Schnee schmelzen anfangen, hat Petrus das wohl doch noch richtig verstanden: eine sümpfte, sternenklare Nacht erwartet und außerhalb unserer vier Leinwände. Während Denni und Arrtu Schnee schmelzen, damit es lecker Instant-Kaffe und Travellunch gibt, ergattere ich mir Dennis Isomatte und döse noch ein bisschen. Meine Motivation war gelegentlich schon höher. Genauso mein Appetit, denn eine leichte Übelkeit hat mich nach meinem Halbschlaf begrüßt. Aber lass ich die beiden alleine losziehen? Nä Mann, die Loorbeeren des Gipfels sollen schon auch meinen Kopf zieren.
Als wir dann losmarschieren ist auch alles halb so wild: wir sind konditionell nicht schlecht drauf, die Sterne Lächeln uns entgegen, genauso wie der Schnee, der uns auf den Reiz unserer Stirnlampen hin verspielt zuzwinkert. Diese Einsamkeit zu dritt ist schön: die einzige Begleitung zwei weitere Stirnlampen, nur mit einem Seil mit meiner verbunden und das einzige was man hört - das knirschen des Schnees unter den drei paar Steigeisen. Die Welt beschränkt sich auf den Kegel deiner Lampe und nur gelegentlich scheint der Schatten eines Seracs oder die Leere einer Spalte deine Gedanken, die in andere Sphären jagen, dich in den Moment zurückzuholen. Die Luft ist frisch, aber für diese Höhe gar nicht unangenehm kalt. Auf einmal erscheint in deinem Augenwinkel etwas großes, orange blinkendes und du fragst dich vielleicht: wer hat unser Zelt angezündet, oder: wieso kommt da jetzt ein Auto um die Ecke, bis du nach erschreckend langer Zeit feststellst, dass du ins Tal blickst. Die Konturen hier verschwimmen. Was du wahrnimmst ist die Steile des Hanges, die Geschwindigkeit deiner Seilpartner und diesen unfassbaren Sternenhimmel. Wenn du für eine Sekunde deinen Blick vom Boden hebst, auf dem du nur die Spuren des Seils und der Steigeisen, der Pickel und Wanderstecken siehst, dann werden dir die Weiten des Alls offenbart und mit gar nicht allzu viel Glück siehst du die Sternschnuppen über den Himmel tanzen.

Jup, so ist das. Als wir dann ein flacheres Stück Hang erreichen, auf so ca. 5650 m, hat die Romantik leider ein Loch. Eins, das von uns in den Boden gegraben wird, da uns die Krankheit nun auch eingeholt hat. Details sind hier glaube ich nicht von Interesse, auf jeden Fall führt es dazu, dass wir am frühen Morgen des Sonntags beschließen, dass es wohl keinen Sinn macht, selber nachzuschauen, ob sich der Schnee auf den letzten 300 Metern des Berges schon gesetzt hat. Für uns geht's früher runter. Als wir Richtung High Camp kommen, traut sich die Sonne, uns hinter verschneiten, wunderschönen Gipfel zuzulächeln und es entpuppt sich ein wunderbarer Morgen, ein Anblick für Leib und Seele. Es wäre auch ein wunderbarer Gipfeltag gewesen, aber soll halt nicht immer sein. Entscheidung getroffen, nicht hadern, weitermachen. Wir packen das High Camp zusammen, durch den Bruch runter zum Moränencamp. Als Abschied lässt sich der Gletscher noch wunderbare Setzungsgeräusche entlocken, die einem Respekt einflößen. Dann werden unsere Hinterbleibsel am Moränencamp eingepackt und es geht weiter runter, bis zum (ich weiß, ich schwärme viel zu viel) sehr zum Bleiben einladenden, paradiesischen Base Camp, durch welches nach einem kurzen Pläuschchen mit der Seilschaft, die wir zuvor am Gletscher getroffen hatten, schnurstracks durchmaschiert wird, bis wir an der Straße ein Auto finden und nach mehrmaligen umsteigen schließlich wieder im Monkeywasi landen. Maltretierte Mägen Rauchen auf Reisen immer kontinentale Küche, deswegen geht's heute Abend mit den Finnen zum Plaza Roja Burger essen und dann überlegen Denni und ich uns morgen, wie es weiter geht. Wenn man gerade vom Berg kommt, dann hat der Tag schon genug Berg gesehen.
Bilder folgen hoffentlich bald, viele gibt's nicht, aber ein paar nette werden schon dabei sein. Auf bald, liebe Freunde!

Weg vom sehr schön gelegenen Base Camp zur Straße

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